Bedürfnisorientierte Pädagogik


Das Konzept Bedürfnisorientierung

Bedürfnisorientierung bedeutet einen respektvollen Umgang mit sich selbst und anderen. Sie ist weit entfernt von antiautoritäter Erziehung, bei der alle Wünsche des Kindes erfüllt werden und bei dem man es machen lässt, was immer es will. Bedürfnisorientierte Bildung, Erziehung und Betreuung bedeutet feinfühlig und achtsam miteinander in Beziehung zu sein. Die Bedürfnisse, Gefühle und Grenzen von Kindern, Eltern und Fachkräften sowie dem Umfeld werden feinfühlig und individuell wahrgenommen und beachtet. In der Gruppe werden dann die einzelnen Bedürfnisse miteinander abgewogen und ausgehandelt, so dass sowohl Individualität als auch Gemeinschaftlichkeit ermöglicht wird. Wichtig beim Gruppengeschehen ist, dass jeder berücksichtigt wird und Minderheiten nicht übergangen werde. Wenn z.B. die meisten Kinder beim täglichen Spazierengehen an Ausflugsziel A spielen wollen und eines der Kinder möchte lieber an Punkt B spielen, dann geht die Gruppe eben an mehreren Tagen zu Punkt A aber auch einmal zu Punkt B. Hier wird auch der Bezugspunkt zur Demokratie und Partizipation deutlich.

Ganz eng verzahnt mit der Bedürfnisorientierung ist die gewaltfreie Kommunikation. Jeder Mensch wird als Individuum gesehen, welches aufgrund seiner Gefühle und Bedürfnisse begründet handelt, um sich selbst zu verwirklichen und zu entwickeln. Diese gilt es bei Kindern feinfühlig wahrzunehmen und Verhalten zu hinterfragen. Schlägt z.B. ein Kind ein anderes, wird nicht das schlagende Kind einfach bestraft, sondern nach den Ursachen seines Verhaltens geforscht. Beispielsweise ist das Kind einfach zu müde, um sich im Griff zu haben, oder hat noch keine alternative Handlungsweise erworben. Nun kann man statt Strafen, was sinnlos wäre, eine Alternative aufzeigen, z.B. dem Kind einen Rückzugsort geben oder eine alternative Handlungswiese zeigen.

Erziehung erfolgt durch Lernen am Vorbild, Einsicht, logische Folgen und Feedback. Verhaltensformung durch Belohnung und Strafe als Erziehungsmittel wird abgelehnt. Die Erwachsenen bemühen sich stattdessen respektvoll untereinander und auch mit den Kindern umzugehen. Die Kinder schauen sich mögliches Verhalten von Erwachsenen und anderen Kindern ab und erlernen so dieses Verhalten im Umgang miteinander. Klappt es gut oder auch nicht, wird den Kindern durch positive und negative Rückmeldung ein Feedback gegeben. Auch werden Kindern Regeln und Anweisungen nicht einfach vorgesetzt, sondern erklärt, warum dies und das notwendig ist. Schließlich lässt man sie im Sinne logischer Folgen möglichst viele Erfahrungen selbst machen und begleitet die Kinder bei ihren Erfahrungen. Will ein Kind z.B. bei kühler Witterung keine Jacke anziehen, muss dies nicht mit Gewalt durchgesetzt werden, sondern das Kind merkt selbst, dass ihm nach einiger Zeit zu kalt wird und zieht von sich aus seine Jacke an.

Bedürfnisorientiertes Lernen ermöglicht intrinsich motiviertes Lernen. Das Kind ist Baumeister seiner selbst, wie Maria Montessori deutlich gemacht hat. Lernen erfolgt daher selbstbestimmt um mit Sinn und Freude für das Kind. Die Kinder werden dabei Individuell nach ihren Interessen und ihrem Entwicklungstempo unterstützt. Der Slogan "Hilf mir es selbst zu tun" nach Maria Montessori ist auch hier bedeutsam. Das Freispiel in einer vorbereiteten Umgebung und angeleitete Angebote, die das Kind freiwillig nutzen kann oder auch nicht, sind wichtige Aspekte der bedürnisorientierten Bildung. Unterstützung erhält das Kind so viel und so wenig, wie es individuell braucht. Neben der Montessori-Pädagogik können auch andere Konzepte einbezogen werden, wie "Offene Arbeit", Reggio-Pädagogik und der Lebenswelt-Ansatz.

Bedeutsam für bedürfnisorientierte Bildung ist außerdem ein positiver Blick auf das Kind. Im Vordergrund steht daher die Ressourcenorientierung statt einer Defizitorientierung. Es wird geschaut, was das Kind SCHON kann und nicht  nur darauf, was es alles nicht kann. Ein positver Blick auf das Kind und eine enstprechende Rückmeldung an das Kind ermöglicht somit Schätze der Kinder ans Licht zu befördern. Auf der Grundlage des positiven Blickes auf sich selbst, ist das Kind auch in der Lage, sich gewollt  mit möglichen Defiziten zu beschäftigen.